Wie immer, wenn man zurück zu meiner Oma kommt, fragt sie: „Und hast du wen getroffen?“. Keine Menschenseele. Teilweise musste ich während meines kurzen Spaziergangs an die Covid-19 Lockdowns denken. Alles wie ausgestorben. In meinem Alltag in Wien sehe ich meistens Menschen auf der Straße, vor allem an Samstagvormittagen. Das Landleben. Da muss ich immer an ausgestorbene Dörfer und leere Straßen denken. Romantisch ist mein persönliches Bild vom Leben auf dem Land wirklich nicht.
Als meine Mama in den Sechziger- und Siebzigerjahren in diesem Dorf aufgewachsen ist, gab es noch Menschen auf den Straßen, vor allem viele Kinder. Es gab auch noch Wirtshäuser, Greißler und sogar eine Fleischerei. Heute gibt es eine Tankstelle außerhalb des Dorfes und einen kleinen Nahversorger mitten im Ort, der Montag bis Samstag jeweils am Vormittag geöffnet ist. Am Freitag sogar drei Stunden nachmittags. Dort ist meine Oma jeden Dienstag um neun Uhr mit ihrer Kaffeerunde. Zirka zehn Witwen kommen wöchentlich zusammen, essen eine Kleinigkeit und wenn es was zu feiern gibt, trinken sie auch gerne schon am Vormittag eine Runde Klopfer.
Am Samstag erzählt mir meine Oma davon, dass der Nahversorger geschlossen werden soll. Der Treffpunkt für ihre Kaffeerunde fällt somit in absehbarer Zukunft weg. Gierig sei der Betreiber der Filiale. Von der Gemeinde bekommt er schon einen Zuschuss, damit das Geschäft offenbleibt. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich das Geschäft nicht rentiert. Einkäufe erledigen die meisten Dorfbewohner:innen in den großen Supermärkten, vier Kilometer weiter im nächsten Ort oder überhaupt im großen Einkaufzentrum, zwölf Kilometer entfernt. Wie meine Oma es ausdrückt: „Viele Leute aus dem Dorf kennen das Geschäft nicht einmal von innen.“
Leere Wirtshäuser, ausgestorbene Ortskerne, zugesperrte Volksschulen und schöne Landschaften – das ist mein Bild vom Südburgenland. Zu Mittag kommt meine Tante zu Besuch, sie war davor bei einem Frauenfrühstück. Über 200 Teilnehmerinnen waren dabei. Das Landleben bietet wohl doch mehr als Pandemiestimmung. Ich hoffe für meine Oma und ihre Kaffeerunde auch, dass sich vielleicht jemand findet, um den Nahversorger zu übernehmen. Für mich bleibt es spannend, übers Leben auf dem Land nachzudenken. In der ziemlichen Gewissheit, dass ich ein Stadtmensch bin und bleibe.